Geänderte Umsatzsteuer in Onlineshops: "Wenig Rücksicht auf Umstellungsaufwand und Abmahngefahren"

Ab 1.1.2015 gilt die neue Regelung der EU für Umsatzsteuer beim Verkauf digitaler Produkte.

Welche gravierenden Änderungen in wenigen Tagen auf sie zukommen, das ist nur wenigen Shopbetreibern bewusst, die digitale Waren oder Dienstleistungen auch in das EU-Ausland verkaufen. Wir fragen Rechtsanwalt Thomas Schwenke, welche Maßnahmen dabei konkret zu treffen sind.

Auf viele Onlineshop-Händler, die ihre digitalen Waren in das europäische Ausland liefern, kommen ab dem 1. Januar Änderungen der Umsatzsteuer-Regelung zu. Wer ist davon wie betroffen?

Als Shopbetreiber etwa in Deutschland, Österreich oder der Schweiz musste man die Umsatz-/Mehrwertsteuer bislang grundsätzlich im eigenen Land abführen, zu den jeweils dort geltenden Sätzen. Ab dem 01.01.2015 gilt: Verkauft man digitale Waren in die EU, dann richtet sich die Höhe der Umsatzsteuer (USt) bei bestimmten Produkten und Dienstleistungen nach dem Wohnsitz des Kunden. Ein Beispiel: Kauft ein Kunde aus der Schweiz eine Software bei einem deutschen Anbieter, dann wird der schweizerische USt-Satz in Höhe von 8 Prozent fällig, der in der Schweiz anzumelden und abzuführen ist. Nicht mehr der deutsche Satz, den der Shopbetreiber bisher in Deutschland zu entrichten hatte. (Zum zukünftigen Prozess der Anmeldung gleich mehr, Anm. d. Redaktion.)

Betroffen von dieser Regel sind alle Anbieter, die „Leistungen auf elektronischem Wege“ an Endverbraucher erbringen. Also nur B2C-Anbieter, der Bereich B2B ist ausgenommen. Unter diese Leistungen fallen beispielsweise Shops für Download-Software aber auch Musik- und Film-Downloads, E-Books, kostenpflichtige Communities sowie Webhoster, einzelne Online-Dienstleister oder SEOs. Eine ausführliche Liste findet sich hier und hier. Im Einzelfall sollte man mit seinem Rechtsanwalts- bzw. Steuerbüro abstimmen, ob die Regelungen auf das eigene Geschäftsmodell zutreffen oder nicht.

Die Regeln gelten übrigens weltweit, also für alle Shop-Betreiber mit zuvor beschriebenem Produktspektrum, die in die EU liefern wollen.
 
Wie müssen betroffene Shops reagieren, was die Kennzeichnung der Produkte anbelangt? Welche konkreten Maßnahmen können sie treffen?

Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten. Zum einen können Sie mit dynamischen Preisen arbeiten, die abhängig vom Wohnort des Kunden angezeigt werden. Das setzt jedoch voraus, den Wohnort des Kunden bereits vor der Auswahl der Produkte abzufragen. Etwa über eine nicht zu umgehende Zugangsabfrage sowie weitere Maßnahmen, die ich in diesem Beitrag erläutert habe. Für viele Onlineshops dürfte ein solches Vorgehen nur wenig praktikabel sein, da es zudem den Verbraucher abschrecken könnte.

Dann jedoch bleibt Ihnen nur noch Variante zwei, die Verwendung einheitlicher Endpreise. Das bedeutet: Dem schweizer und dem deutschen Kunden wird derselbe Brutto-Endpreis angezeigt, die jeweils fällige Umsatzsteuer wird jedoch individuell berechnet und ausgewiesen. Das hat auch eine Auswirkung auf den Gewinn des Shop-Betreibers. Bei einem schwedischen Kunden würde dieser nur noch 16,00 Euro betragen (20 Euro abzüglich 25 Prozent Umsatzsteuer), statt 16,81 Euro beim deutschen Kunden.

Ein beispielhafter Warenkorb mit verschiedenen Steuersätzen.

Ein beispielhafter Warenkorb mit verschiedenen Steuersätzen.

Wie erfolgt die dann recht komplizierte Anmeldung und Abführung der Umsatzsteuer für diverse Länder?

Man könnte sich in den einzelnen Ländern – in die man liefert – anmelden und dort die jeweils fällige Umsatzsteuer abführen. Das wird jedoch nur in wenigen Fällen praktikabel sein, etwa wenn man den Großteil der Waren in ein bestimmtes EU-Land liefert. Eine ab dem 1. Januar 2015 in Kraft tretende Sonderregelung namens „Mini-One-Stop-Shop“ (MOSS) – bzw. in Deutsch „Kleine einzige Anmeldestelle“ (KEA) – ermöglicht die zentrale Meldung für alle Länder, sie erfolgt über das Bundeszentralamt für Steuern.

Hier sollten Sie sich rechtzeitig anmelden, in Absprache mit der eigenen Steuerkanzlei. Trotz der zentralen Meldestelle schadet es nicht, sich näher mit den Steuergesetzen jener Länder zu befassen, in die man liefert.
 
Kann man zukünftig nicht einfach mit Nettopreisen arbeiten und nur die Umsatzsteuer dynamisch berechnen?

Nein, das wäre sofort abmahnbar. Laut § 1 Absatz 1 der Preisangabenverordnung (PangV) müssen die Preise immer inklusive der Umsatzsteuer angegeben werden. Alles andere würde es Abmahnern bzw. Mitbewerbern sehr einfach machen.
 
Darf man Käufer im Ausland vom Shop bzw. vom Kauf ausschließen, um sich den bürokratischen Mehraufwand zu sparen? Was gilt es dabei zu beachten?

Thomas Schwenke

Thomas Schwenke

Es ist zulässig, die eigenen Leistungen nur an deutsche Verbraucher zu richten. Vor allem kleinere Shop-Betreiber werden sich möglicherweise genau hierfür entscheiden. Eine solche Einschränkung muss jedoch deutlich sichtbar sein, etwa über einen Hinweis der Art „Wir bieten unsere Leistungen nur an Kunden an, die in Deutschland (bzw. Österreich oder Schweiz) ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben“. Im Bestellprozess sollte dann auch nur das eigene Land als Anschrift auswählbar sein.

Mit dem neuen Verbraucherrecht aus dem Juni diesen Jahres muss man seine Kunden ohnehin über Lieferbeschränkungen informieren, so dass sich der dortige Prozess gegebenenfalls ausbauen lässt.
 
Was gilt, wenn ich betroffene Waren oder Dienstleistungen im Bereich B2C und B2B vertreibe?

Theoretisch müssten Sie dann nicht nur den Wohnort, sondern auch die Unternehmereigenschaft Ihrer Kunden abfragen – auch das ist in der Praxis kaum vorstellbar. Einfacher wird Folgendes sein: Sie geben an, dass Sie ausschließlich an Verbraucher liefern. Geschäftskunden dürften Sie dann allerdings nicht unterschiedlich behandeln, etwa was die Rechnungslegung anbelangt. Das wiederum könnte zahlreiche potenzielle Kunden im B2B-Umfeld abschrecken.

Umgekehrt reicht es nicht aus, schlicht zu erklären, dass sich die Leistungen Ihres Shops nur an Unternehmer richten. Das wäre nur bei Produkten möglich, die ausschließlich von Unternehmen genutzt werden können, etwa bei Software für Industrieanlagen. Und selbst dann gilt es, die Beschränkung näher zu erläutern.
 
Was ist der Hintergrund der Entscheidung auf EU-Ebene?

Man möchte mit den Regeln für mehr Steuergerechtigkeit sorgen. Bekannt geworden sind beispielsweise Fälle wie die von Amazon, die sich mit der Wahl ihres Firmensitzes einen ungerechten Steuervorteil gegenüber kleineren lokalen Anbietern verschaffen. In diesem Zusammenhang sind die Veränderungen durchaus nachvollziehbar. Dass dabei wenig Rücksicht auf den Umstellungsaufwand und die Gefahren einer Abmahnung genommen wurde, das ist die Kehrseite der Medaille.

Hinweis/Disclaimer: In Zusammenarbeit mit Rechtsanwalt Thomas Schwenke haben wir eine Plugin-Lösung für WooCommerce bzw. WordPress realisiert, welche die EU Mehrwersteuer korrekt berechnet. Siehe diesen Blogbeitrag.

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Michael Firnkes

Redakteur bei MarketPress. Blogger aus Leidenschaft, Corporate Blog & Content Marketing Trainer, Buchautor (u.a. "Blog Boosting"). Mit-Organisator des WP Camp Berlin.

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Kommentare

16 Kommentare

  1. Hallo zusammen,

    vielen Dank für die Information. Ich finde es toll, dass ihr an einer Lösung arbeitet. Es wäre nur gut zu wissen, wann das Plugin kommen und wie hoch der Aufwand für die Implementierung sein wird. Ich kann mich noch an eine Nachtschicht am 12.06. erinnern 😉

    Viele Grüße und danke für eure tolle Arbeit!
    Maike

    1. @Maike: Danke für dein Feedback! Wir versuchen auf jeden Fall, die Lösung noch rechtzeitig vor Weihnachten zu veröffentlichen (es muss u.a. noch ausführlich getestet werden).

      Das Plugin selbst ist schnell konfiguriert. Eventuell notwendige Einstellungen an den Produkten sollten sich in den meisten Fällen per Massenbearbeitung vornehmen lassen, so dass sich der Aufwand je Shop hoffentlich in Grenzen hält.

  2. Danke für die Infos. Ihr schreibt evtl. Webhoster sind betroffen. Was wenn: die Server stehen in Deutschland, die Domain lautet z.B. auf uk und der Kunde ist in GB. Wir berechnen deutsche Steuersätze. Korrekt oder nicht?

    1. @S.Helesic: Wir können und dürfen leider keine Rechtsberatung geben. Solche spezifischen Punkte bitte mit einer geeigneten Kanzlei abstimmen.

  3. Hab da grad eine Mail von Woothemes bekommen, wo die zwei Lösungen zu genau diesem Problem anbieten. Eine davon ist die Extension EU VAT, die um die neuen Regeln erweitert worden ist. Brauch ich nun nur Eure kommende Lösung oder noch mehr? Und gerade eben gab’s auch noch ein Upgrade von WordPress auf 4.1 – na das werden ja rührselige Weihnachten werden.

    1. @Bildmanufaktur Wackernah: Nach der derzeitigen Beschreibung von http://www.woothemes.com/2014/12/handling-eu-vat-woocommerce/ werden bei der dortigen Lösung keine einheitlichen Endpreise dargestellt. Genau das ist jedoch der Ansatz unseres Plugins (Siehe auch http://rechtsanwalt-schwenke.de/e-commerce-faq-umsatzsteuer-elektronische-leistungen-2015#013). Mehr dazu noch im Verlaufe des Tages hier im Blog.

  4. Vielen Dank für diese hilfreichen Infos.

    Bevor ich mir noch mehr den Kopfer zermater, kann es sein, dass in dem Artikel ein Fehler steckt?

    Kauft ein Kunde aus der Schweiz eine Software bei einem deutschen Anbieter, dann wird der schweizerische USt-Satz in Höhe von 8 Prozent fällig, der in der Schweiz anzumelden und abzuführen ist.

    Im Widerspruch zu:

    Es ist zulässig, die eigenen Leistungen nur an deutsche Verbraucher zu richten…. Eine solche Einschränkung muss jedoch deutlich sichtbar sein, etwa über einen Hinweis der Art „Wir bieten unsere Leistungen nur an Kunden an, die in Deutschland/Österreich/Schweiz ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben“. Im Bestellprozess sollte dann auch nur das eigene Land als Anschrift auswählbar sein.

    Wieso auch an Kunden aus Österreich und der Schweiz? Und dann nur Deutschland als Anschrift auswählbar machen?

    1. @Angelika: Danke für den Hinweis. In diesem Fall ist Deutschland beziehungsweise Österreich oder Schweiz gemeint, als freundlicher Platzhalter für Leser aus allen drei Ländern. Ich werde das noch umformulieren 😉

  5. Hier gibt es weitere Informationen zu unserem neuen Plugin, das die Vorgaben der EU im Bestellprozess von WooCommerce berücksichtigt: https://marketpress.de/2014/woocommerce-eu-mehrwertsteuer-plugin/

  6. @Michael Firnkes
    Ich hatte mir schon vor dem Lesen Deiner Antwort zum EU VAT Plugin von woothemes genau das gekauft und in der Tat kommt es einerseits mit den Checkout Templates von WGM nicht zurecht – die MwSt. ändert sich nicht – und andererseits rechnet es, wenn WGM deaktiviert ist, tatsächlich unsere MwSt. aus den Bruttopreisen raus und fügt dann die MwSt. des EU Landes als Betrag hinzu, was zu sich ändernden Bruttopreisen führt. Geht nicht. Hab also gleich das Plugin zurückgegeben und kaufe jetzt Eure Lösung. Merci.

    1. @Bildmanufaktur Wackernah: Danke für das Feedback. Dann scheint es eher für den nicht-deutschsprachigen Raum konzipiert zu sein..

  7. Wie immer. Funktioniert tadellos. Danke.

  8. Hallo, wie verhaelt es sich denn weltweit bzw bei Laendern, ausserhalb der EU ?

    1. @Stefan: Siehe die Aussage von Thomas Schwenke “Die Regeln gelten übrigens weltweit, also für alle Shop-Betreiber mit zuvor beschriebenem Produktspektrum, die in die EU liefern wollen.”

  9. […] in diesem Interview mit Rechtsanwalt Thomas Schwenke zu lesen ist, gelten ab dem 01.01.2015 für Unternehmen, die elektronische Dienstleistungen an […]

  10. […] gelten für Unternehmen, die elektronische Dienstleistungen an Privatpersonen in der EU erbringen, Änderungen der Umsatzsteuer-Regelung. Mit dem Plugin „WooCommerce EU VAT Compliance“ kannst du die Preise in deinem Online […]

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